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Tell el-Dabca

 
 
  (8km nördlich der Provinzhauptstadt Faqus, im östlichen Nildelta, Provinz Sharqia), 30° 47’ N, 31° 50’ O) kann heute mit Sicherheit identifiziert werden als Avaris, Hauptstadt der Hyksos (c. 1640-1530 v. Chr.) und mit den südlichen Teil von Piramesse, der Deltaresidenz von Ramses II. und seinen Nachfolgern.
In der 18. Dynastie kann der Ort möglicherweise mit Peru-nefer, dem Haupthafen und militärischen Stützpunkt der Tuthmosiden angesprochen werden. Höchstwahrscheinlich war dieser Platz auch ident mit der biblischen Stadt Raamses/Ramesse aus der Ramessidenzeit. Der östliche Nilarm führte einst im Westen der Stadt vorbei.

Geschichte der Ausgrabungen
Die Ausgrabungstätigkeit an diesem Ort begann 1885 mit E. Naville.

1941-42 unternahm Labib Habachi Untersuchungen für den Ägyptischen Antikenservice und schlug eine Identifizierung mit dem antiken Avaris vor.

1951-1954 legte Shehata Adam einen Teil des 12. Dynastiegebiets von cEzbet Rushdi frei.

Seit 1966 (mit einer kurzen Unterbrechung von 1970-1974) wird das Gebiet durch das Österreichische Archäologische Institut untersucht, von 1966-2009 unter der Leitung von Manfred Bietak, seit 2009 unter der Leitung von Irene Forstner-Müller.


Geschichte des Platzes
Die Geschichte des Platzes beginnt mit dem Beginn der 12. Dynastie unter Amenemhet I (ca. 1963-1934 v. Chr.) mit einer Plansiedlung (Stratum M-N).
 
 

 
 
  Vermutlich bereits in der Herakleopolitenzeit war hier ein Gut eines Königs Khety mit dem Namen Hw.t R3w3.ty Hty. Kurze Zeit später während der 12. Dynastie dehnte sich eine andere Siedlung entlang des südöstlichen Ufers des Pelusischen Nils in cEzbet Rushdi es-sagira aus (Stratum I-L) (>>cEzbet Rushdi).

Ein Gedächtnistempel für König Amenemhet I, dem Gründer der 12. Dynastie wurde im Jahr 5 des Königs Sesostris III errichtet (ca. 1872-1853 v. Chr., Stratum K-H). Dieser Tempel wurde bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts v. Chr. in der Zeit der 13. Dynastie wieder aufgelassen.

Seit der späten 12. Dynastie siedelten sich Asiaten (Träger der syro-palästinensischen mittleren Bronzezeit IIA- Kultur) hier an, was zu einer erheblichen Erweiterung der Stadt führte (Stratum H) (>>Stratum H).

Aufgrund der Grabbeigaben ist zu erkennen, daß die Mehrheit der Siedler im Dienste der ägyptischen Krone standen. Sie waren wahrscheinlich als Soldaten, Seefahrer und Schiffbauer beschäftigt. Ihre Gräber waren innerhalb der Siedlung angelegt.

Während der 13. Dynastie wurde eine palatiale Anlage für hohe Beamte errichtet (Stratum G/4). Diese scheinen die Kontrolle des Handels und der Auslandsexpeditionen innegehabt zu haben. Sie standen im Dienste des ägyptischen Staates, waren aber von asiatischer Herkunft. An diese Anlage war ein Friedhof angelegt, manche Gräber waren mit Oberbauten (Kapellen mit Lehmziegelgewölben) ausgestattet (>>Stratum G/4).

Statuen der Königin Nofru-Sobek und des Königs Hornedjheryotef der späten 12. und frühen 13. Dynastie, gefunden durch Labib Habachi, scheinen später, gemeinsam mit einer großen Anzahl von weiteren königlichen Statuen hierher verbracht worden sein (Abb. 1).

Die Siedlung wuchs beständig, in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts v. Chr. (Stratum G) macht sich in der materiellen Kultur ein starker Einfluß an syro-palästinensischen mittlere Bronzezeit-Elementen bemerkbar.
 
 
 
Abb. 1
 
     
  Während Stratum F and E/3 wurde im östlichen Teil der Stadt ein Tempelbezirk errichtet. (>>Areal A/II).
Dieser bestand aus zwei Tempeln mit vorderasiatischem Grundriß und Grab- (Gedächtnis-)kapellen ägyptischen Typs mit daran anschließenden Friedhöfen. Der Kult kann möglicherweise mit der vorderasiatischejn Göttin Ashera assoziiert werden, die mit der ägyptischen Göttin Hathor gleichgesetzt wurde. Letztere war nicht nur im Alten Orient wohlbekannt, sondern hatte auch eine Verbindung zum Totenkult.

Als Dynastiegott wurde der ägyptische Gott Seth eingesetzt. An diesem Platz wurde wahrscheinlich nur die ägyptische Version des syrischen Sturmgottes Hadad/Baal-Zaphon verehrt wie anhand eines Zylindersiegels mit der Darstellung dieses Gottes aus einem Palast der 13. Dynastie (Stratum G/4) zu erkennen ist (>>Stratum G/4).

Von speziellem Interesse ist die Entwicklung der Siedlung. Ab Stratum F ist eine stärkere soziale Differenzierung zu erkennen. Im Gegensatz zu Str. G, in dem die Häuser eher gleich groß waren, beginnen jetzt kleinere Häuser sich um größere Anlagen zu zentrieren. Mit Beginn der Hyksoszeit (str. E/2-1) dehnt sich die Stadt über ca. 250 Hektar aus. Gleichzeitig wird die Bebauungsfläche intensiv genutzt. Es erweckt den Eindruck, dass die ägyptisierten Asiaten, die ursprünglich in anderen Teilen Ägyptens angesiedelt worden waren, sich nun auf das Ostdelta konzentrierten und das Gebiet logischwerweise als Ursprung zum Entstehen der zukünftigen Hyksosherrschaft beitrugen.

Die Entwicklung innerhalb der Keramik zeigt, daß die meisten Importe in der Hyksoszeit Amphoren aus Syrien/Palästina waren, welche Wein oder Olivenöl enthielten (Abb. 2).
 
 
 
Abb. 2
 
 
  Der Import an zyprischer Keramik stieg mit Beginn der Hyksoszeit stark an (Abb. 3), und war in manchen Teilen der Stadt gegen Ende der Zweiten Zwischenzeit sehr stark vertreten.

Innerhalb des Binnenhandles läßt sich eine isolationistische Tendenz feststellen.
Gegen Ende der Zweiten Zwischenzeit (Stratum D/2) wurde am Westrand von Avaris, entlang des östlichen Ufers des pelusischen Nilarms, eine große Zitadelle auf bis dato unbesiedeltem Land angelegt (>>Zitadelle).
 
 
Abb. 3
 
 
  Nach der Eroberung von Avaris durch Ahmose ca. 1530 v. Chr. wurde der Hauptteil der Stadt aufgelassen. Die Zitadelle wurde zerstört und riesige Speicheranlagen mit einer großen Anzahl an Silos drübergebaut. Darüber konnten Reste eines Lagers mit Feuern, Öfen und Pfostenlöchern für Zelte festgestellt werden. Leichen, vermutlich von Soldaten, waren ohne Beigaben bestattet, in der selben Schicht waren auch mehrere Pferde gefunden worden.

Über dem Lager und den Soldaten wurde in der Tuthmosidenzeit ein Palastbezirk errichtet, die Ziegel stammen vermutlich von der Hyksoszitadelle. Dieser Bezirk besteht aus drei Anlagen, alle auf erhöhten Plattformen errichtet (>>Abb. 4).
Mindestens zwei Paläste (Palast F and G) waren mit minoischen Wandmalereien ausgestattet (>>Palastbezirk).
 
 
 
Abb. 4
 
 
  Der Palastbezirk bedeckte eine Fläche von 5.5 Hektar und war von einer Umfassungsmauer mit einem Eingangspylon im Norden eingefasst. Im Süden scheint sich eine Stadt des Neuen Reiches auszudehnen. Dieser Teil (Palast und Stadt) können vermutlich mit Peru-nefer, dem ägyptischen Haupthafen und Marinestützpunkt dieser Zeit, identifiziert werden. Der Palast datiert in die Tuthmosidenzeit (Nach Amenophis II aufgelassen), die Anwesenheit von nubischen Soldaten (Kerma-Keramik und Pfeilspitzen) wie Werkstätten zur Produktion von Pfeilen zeigt die Anwesenheit von militärischen Einheiten.

In späterer Zeit wurden die Ruinen der Tuthmosidenzeit von einer Haremhab-Festung überbaut. In dieser Zeit mußte der Ort gegen eine neue militärische Supermacht, die Hethiter, neu befestigt werden.

In der Zeit der 21. und 22. Dynastie und danach diente TED/Qantir als Steinbruch um Baumaterial zu gewinnen, insbesondere Steinblöcke und Monumentalstatuen für die neuen Hauptstädte in Tanis, Bubastis, Leontopolis (Tell el-Muqdam) etc. Zusammen mit den Monumenten wurden auch Kulte aus Piramesse zu den neuen Plätzen verfrachtet.

Aus diesem Grund überrascht es wenig, dass in der 30. Dynastie Kulte aus Piramesse unabhängig voneinander in Tanis und Bubastis auftreten. Das erklärt auch, warum bereits in der Antike Raamses/Ramesse in Tanis (Ps. 78:12, 48) und im Osten von Bubastis im Wadi Tumilat (Septuagint Version von Gn. 46:28-29) lokalisiert worden waren. Und warum bereits in der Antike, Piramesse und Avaris, die Identität der beiden Städte und auch ihre Gleichsetzung mit der biblischen Stadt Raamses/Ramesse bis zur manethonischen Tradition nach Josephus (C. Ap., I.26-31, §§ 237-287) in Erinnerung blieb.
 
 
 

Literatur:
Bietak, M.
1968 Vorläufiger Bericht über die erste und zweite Kampagne der österreichischen Ausgrabungen auf Tell ed-Dabca im Ostdelta Ägyptens (1966/1967), MDIK 23,
79-114.
1970 Vorläufiger Bericht über die dritte Kampagne der österreichischen Ausgrabungen auf Tell ed-Dab‘a, MDIK 26, 15-41.
1989 Servant Burials in the Middle Bronze Age Culture of the Eastern Nile Delta, EI 20, 30-43.
1991 Unter Mitarbeit von C. Mlinar und A. Schwab, Tell el- Dabca V, Ein Friedhofsbezirk der Mittleren Bronzezeitkultur mit Totentempel und Siedlungsschichten, UZK VIII. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften der Gesamtakademie IX, Wien
1994a Kleine ägyptische Tempel und Wohnhäuser des späten Mittleren Reiches. Zur Genese eines beliebten Raumkonzeptes von Tempeln des Neuen Reiches, in: C. Berger, G. Clerc und N. Grimal, Hommages à Jean Leclant. IFAO, Kairo, 413-435.
1994b "Götterwohnung und Menschenwohnung", Die Entstehung eines Tempeltyps des Mittleren Reiches aus der zeitgenössischen Wohnarchitektur, HÄB 37, 13-22.
2002 Temple or 'Beth Marzeah' ? in Symbiosis, Symbolism and the Power of the Past: Canaan, Ancient Israel and their Neighbors, From the Late Bronze Age through Roman Palestine. The W.F. Albright Institute of Archaeological Research and the American Schools of Oriental Research Centennial Symposium, Israel Museum, Jerusalem, May 29-31, 2000, eds. W.G. Dever and S. Gitin. Winona Lake, Ind. 2002
Boessneck, J.
1976 Tell el- Dabca III. Die Tierknochenfunde 1966-1969, UZK III. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften der Gesamtakademie V, Wien