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cEzbet Rushdi,
Tempel und Siedlung des Mittleren Reichs (R/I, strata a - f)

von Ernst Czerny
 
 
  Das Dorf cEzbet Rushdi ist etwa 1 km nordöstlich von Tell el-Dabca gelegen. Bereits in den 1950er Jahren hatte der ägyptische Archäologe Shehata Adam in den Feldern östlich des Dorfrandes die Reste eines aus ungebrannten Schlammziegeln errichteten Tempels entdeckt [1].

1996 wurde dieser Tempel vom Österreichischen Archäologischen Institut neuerlich freigelegt, wobei in 2 Kampagnen 24 Planquadrate untersucht wurden. Die dicken Ziegelwände des Tempels waren noch gut erhalten, sodaß ein neuer, verbesserter Plan gewonnen werden konnte [2].

Der Tempel besteht aus einem zentralen Sanktuar mit zwei lateralen Kapellen und einem Vorhof, umgeben von einer Umfassungsmauer. Ein schmaler Korridor zwischen der zentralen 3-Raum Anlage und der Umfassungsmauer nahm einst wohl eine Treppe auf das Dach auf.
Möglicherweise erst in einem späteren Bauabschnitt wurden in den Vorhof zwei seitliche Einbauten eingefügt, wohl Magazinräume. Der verbleibende Mittelteil des Hofes wurde mit einer Kolonnade versehen. Anstelle einer mittleren Säule befand sich ein Wasserbecken, sodaß eher von einem Säulenhof als von einem geschlossenen Hypostyl auszugehen ist. Die ganze Anlage war von einer äußeren Umfassungsmauer umgeben, die an der Frontseite verdickt war, was wahrscheinlich ein Pylon-ähliches Aussehen ergab. Sekundär wurde in die Nordwest-Ecke des äußeren Vorhofs ein Nebenheiligtum mit geknickter Kultachse eingebaut (Abb. 1, Abb. 2).
 
 
 
 
Abb. 1   Abb. 2
 
 
  Im Zuge der Ausgrabungen erwies sich, dass die Mauern des Tempels tief in ältere Strukturen schneiden. Es waren dies Häuser einer Siedlung, die sich unter der ganzen Fläche des Tempels hinzog. Gemäß dem Keramikbefund war kein Zweifel möglich, dass sowohl der Tempel als auch die darunterliegende Siedlung in die 12. Dynastie zu setzen sind.
Damit war ausgeschlossen, dass der Tempel zu Beginn dieser Dynastie errichtet worden war, wie es der traditionellen Annahme entsprach. Es fanden sich jedoch zahlreiche Hinweise auf den König Amenemhet I, sodaß davon ausgegangen werden kann, dass es sich um einen Gedächtnistempel für den Ka-Kult dieses verstorbenen Königs handelt. Siehe dazu z.B. das Fragment einer Kalksteinplatte mit dem Horusnamen Amenemhets I. (Abb. 3), verworfen im Zerstörungsschutt gefunden. Wann tatsächlich mit der Errichtung des Tempels begonnen wurde, ist schwer festzulegen.
 
 
 
Abb. 3
 
 
  Die späteste im Tempel und dessen Nebengebäuden gefundene Keramik zeigt klar den Stil der fortgeschrittenen 12. Dynastie. Auffällig ist allerdings die geringe Menge kanaanäischer Importkeramik, wie sie etwa im Areal F/I-str. d/2 zu beobachten war.

Alle jüngeren Kulturschichten über dem Tempel sind durch rezente Agrikultur zerstört. Es findet sich jedoch eine große Anzahl von Gruben, welche von einer verlorenen Oberfläche aus in die älteren Schichten schneiden und auch die Tempelmauern stören. Diese enthielten Keramik der mittleren und späten 13. Dynastie. Demnach erlosch der Kultbetrieb wohl zu Ende der 12. Dynastie, aber erst in der späteren 13. Dynastie wurde auf die Ruinen bei Neubauten keine Rücksicht mehr genommen. Eine dieser Gruben der mittleren 13. Dynastie enthielt den Siegelabdruck eines "Bürgermeisters von Avaris, Jmnjj-Snb" (Abb. 4).
 
 
 
Abb. 4
 
 
  Dies ist eine der ersten Erwähnungen des Toponyms "Hwt-wcart" (Avaris), gleichzeitig die einzige bisher im Areal von Tell el-Dabca bei einer kontrollierten Ausgrabung gefundene [3].

Die durch den Tempelbau zerstörte Siedlung scheint nur wenig älter zu sein als dieser selbst. Außerhalb der Umfassungsmauern bestand sie offenbar auch nach dem Tempelbau fort. Ausgegraben wurde nur ein kleiner Teil der Siedlung, deren älteste Mauern direkt auf der Gezirah errichtet sind.
Durch kontinuierliche Veränderungen und Neubauten entstand ein 70-90 cm starkes Schichtpaket. Der gewöhn-liche Haustyp besteht aus 2 längsgerichteten und einem dazu quergelagertem Raum, worum sich Nebengebäude wie Silos oder Ställe gruppieren (Abb. 5). Meist sind je 2 Häuser zu einem O-W orientierten Block zusammengeschlossen.
 
 
 
Abb. 5
 
 
  Die hauptsächlichen Fundgruppen aus der Siedlung sind Keramik in sehr großer Menge (Scherben und Ganzstücke), Silices und Tierknochen. Die Keramikproduktion ist wenig variantenreich und stark standardisiert.

Der mit Abstand häufigste Typ sind die bekannten halbkugeligen Näpfe des Mittleren Reiches aus feinem Nilton (Abb. 6/1; Abb.7), ebenso häufig sind Flaschen aus grobem Nilton mit einfacher Mündung (Abb. 6/11, 6/12). Regelmäßig gefunden wurden auch rot gefärbte Knickwandschalen auf hohem Fuß ("Kelche") (Abb. 6/2; Abb.8),
sowie einige spezielle Formen wie Schalen mit nach innen geneigter Mündung (Abb. 7), kleine Knickwandschälchen, halbkugelige Schalen verschiedener Größe mit horizontaler Rillendekoration (Abb. 6/5, Abb. 6/6) und Krüge mit Henkel und flachem Boden.

Aus grobem Nilton bestanden neben den genannten Flaschen große Schalen (Abb. 6/7), Fußschalen, große Knickwandschalen, oft mit eingeritzter Wellenbandverzierung (Abb. 6/8), ferner Bechervasen, Ständer und Typen mit speziellen Funktionen: Backplatten, Brotformen, Spinnschalen.

"Mergel C Ton" wurde fast nur für "Zire" (Fig. 6/10) verwendet, ganz selten für kleine kugelige Vasen und Vasen mit getreppter Mündung.
Auch der oberägyptische "Mergel-A Ton" ist vertreten, sowohl mit Scherben mit eingeritzter Dekoration als auch mit schöner polierter Ware. Parallelen aus Oberägypten sind für beide Varianten bekannt.
In sehr geringem Umfang gab es auch Importkeramik, darunter einige Scherben von mindestens zwei minoischen Amphoren [4], sowie auch Scherben bemalter kanaanäischer MB IIA Keramik, sog. "Levantine painted ware" [5].
 
 
   
Abb. 6   Abb. 7   Abb. 8
 
 
  Es ist kaum möglich, den Beginn der Siedlung mit Sicherheit festzulegen. Die Gründung kann wohl nicht vor der 2. Hälfte der Regierungszeit Sesostris I oder gar den frühen Jahren Amenemhet II erfolgt sein. Für die Aufgabe der Siedlung und ihre Überbauung durch den Tempel ist am ehesten an die frühen Jahre Sesostris III zu denken.
 
  [1] Shehata Adam, ASAE 56 (1959), 207-226
[2] Manfred Bietak et.al., Ä&L 8 (1998), 15, Fig. 4.
[3] Ernst Czerny, Ä&L 11 (2001), 13-26)
[4] Ernst Czerny, Ä&L 8 (1998), 46, Fig. 21
[5] Tine Bagh, Ä&L 8 (1998), 47-49
 
 
Literatur:
Adam S.
Report on the Excavations of the Department of Antiquities at cEzbet Rushdi, ASAE 56 (1959), 207-226.
Bietak M., Dorner J., Czerny E., Bagh T.
Der Tempel und die Siedlung des Mittleren Reiches bei cEzbet Ruschdi, Grabungsvorbericht 1996, Ä&L 8 (1998), 9-49.
Czerny E.
Ein früher Beleg für hwt-wcrt auf einem Siegelabdruck aus Tell el-Dabca, Ä&L 11 (2001), 13-26.
Egyptian Pottery from Tell el-Dabca as a context for early MB IIA Painted Ware, in: M. Bietak (ed.), The Middle Bronze Age in the Levant, CChEM 3, Wien 2002.